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Nicht wenigerals 5 ½ Stunden!

Das „sich bereit halten” während der Rufbereitschaft zählt laut Gesetz als Ruhezeit — jedoch nur, wenn diese Ruhezeit nach der letzten Arbeitsstunde liegt.

ParagrafArbeitszeitgesetz   linkArbZG

§ 5  Ruhezeit

(1)   Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden haben. […]

(3)   Abweichend von Absatz 1 können in Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft, die nicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden.

Diese Formulierung ist verunglückt. Nebenbei — die Regelung verstößt gegen die
linkEU-Richtlinie 2003/88/EU vom 4. November 2003 zu bestimmten Aspekten der Arbeitszeitgestaltung.
Die gelehrten Kommentare sind sich einig: Hier soll nicht etwa die Inanspruchnahme begrenzt werden, sondern die Kürzung der Ruhezeit durch die Einsätze.

1.)  Die Ruhezeit darf nicht auf weniger als ihre Hälfte verkürzt werden und auf nicht weniger als 5 ½ Stunden .

2.)  Diese so verkürzte Ruhezeit muss am Ende des Werktags liegen, wenn ein Tarif nicht ausdrücklich eine noch schlechtere Regelung trifft.

3.)  „Betragen die Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft […] mehr als die Hälfte der Ruhezeit des §5 Abs. 1 dh mehr als 5  1/2  Stunden, ist der betroffene Arbeitnehmer vom nachfolgenden Tagesdienst ganz freizustellen. Er darf frühestens nach einer ununterbrochenen Ruhezeit von mindestens 11 Stunden erneut beschäftigt werden.” (Kommentar zum Arbeitszeitgesetz, Rudolf Anzinger, Wolfgang Koberski, Karl-Heinz Wolters, 3.  Auflage 2009, §5  Randnummer  68, Heraushebungen im Orginal)

Da verwechseln die Kommentatoren die Inanspruchnahmen mit den Kürzungen. Wenn in einer Rufbereitschaft ab Sonntagmorgen über 24 Stunden eine Inanspruchnahme samt der Dienstfahrt-Zeiten von 6 Stunden liegt, dann folgt nicht unbedingt eine Freistellung am folgenden Montag. Vielmehr muss sich eine Inanspruchnahme in den frühen Montagmorgen ziehen und dadurch die anschließende Ruhezeit auf weniger als 5  ½  Stunden verkürzen.
Kurz und klar: Kürzt der letzte Einsatz in der Nacht die Restruhezeit auf weniger als 5  ½  Stunden, brauchst Du am nächsten Morgen nicht kommen. Die Schicht entfällt durch eine Freistellung.
Die ÖffnungsklauselnzusatzArbZG §7 (2):
Sofern der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet wird, kann in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung ferner zugelassen werden,
1. abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhezeiten bei Rufbereitschaft den Besonderheiten dieses Dienstes anzupassen, insbesondere Kürzungen der Ruhezeit infolge von Inanspruchnahmen während dieses Dienstes zu anderen Zeiten auszugleichen, ...
im Arbeitszeitgesetz werden bislang nicht umgesetzt.


Beispiel: Die kurze Nacht

Sarah wird kurz vor Mitternacht gerufen. Der Noteinsatz dauert bis halb drei.
Als sie endlich um 03:10 wieder im Bett liegt, weiß sie: „Ich kann ausschlafen - am Freitag bleib ich zu Hause. Und das Beste - ich brauch die Freitagsschicht nicht nacharbeiten!”.

  Übertrag   Mo Di Mi Do Fr Sa So Bilanz Übertrag
S. Spring +9,1h  Plan  x F F FRD F x x 30,8h +2,4h
38,5h
7,7h, 10h
   Ist        0-3        
          +3h         +3h
F   = Frühdienst 07:30 bis 16:15 Uhr / 7,7h
FRB = Frühdienst plus Rufdienst 20-07:30 Uhr
x = Frei


Muss der Arbeitgeber die ausgefallene Arbeitszeit trotzdem bezahlen?

Das Entgeltfortzahlungsgesetz greift nur bei Krankheit, Urlaub oder Feiertagen. Möglicherweise ist dieser besondere Fall in einem Tarifvertrag geregelt. Umgekehrt ist dort sicher nicht geregelt, dass der Arbeitgeber — nachdem er in tiefer Nacht gerufen hat — nun die monatlichen Vergütung um die danach ausgefallenen Stunden kürzen darf.

Muss die ausgefallene Arbeitszeit nachgearbeitet werden?

Die geschuldete Arbeitszeit ist eine Fixschuld. Weder Gerichte noch Kommentatoren behaupten, dass die Stunden nachzuarbeiten sind. In einem besonderen Fall — mit einem Gleitzeitkonto — waren die ausgefallenen Stunden nicht als geleistet zu buchen. Die Urteilsbegründung liest sich da gruselig. Der Arbeitgeber hatte die Folgen seines nächtlichen Rufes nicht „zu vertreten”:

UrteilKein Annahmeverzug wg. Ruhezeit nach Arbeitsleistung während Rufbereitschaft

Der Kläger war zulässigerweise in der Zeit vom 10. auf den 11. Juli 2005 zu Rufbereitschaft eingeteilt worden. Während dieser Rufbereitschaft wurde er zu einem Entstörungseinsatz gerufen. Wenn aber die Rufbereitschaft und die auf Grund der Rufbereitschaft angeordnete Nachtarbeit durch den zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag gedeckt war, hat die Beklagte nicht die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung während der Tagschicht am 11. Juli 2005 zu vertreten, weil sie den Kläger zur Nachtarbeit eingeteilt hat. Der Ausfall der Arbeit während der auf die geleistete Nachtarbeit folgenden Tagschicht ist vielmehr eine Folge der zwingenden gesetzlichen Ruhezeit nach § 5 ArbZG. Folglich handelt es sich um eine von keiner Seite zu vertretende Unmöglichkeit, wenn der Kläger während der Tagschicht am 11. Juli 2005 nicht beschäftigt werden durfte (BAG 5. Juli 1976 - 5 AZR 264/75 - AP AZO § 12 Nr. 10 = EzA AZO § 12 Nr. 2). Bei einer von keiner Vertragspartei zu vertretenden Unmöglichkeit entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung.
BAG, Urteil am 13.12.2007 - Aktenzeichen: 6 AZR 197/07