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Nicht mehrals 10 Stunden?

Das „sich bereit halten” während der Rufbereitschaft zählt laut Gesetz nicht zur Arbeitszeit. Doch die „Inanspruchnahme” zählt von Gesetz wegen als Arbeitszeit. Und die Tarife vergüten sogar die Wegezeiten zur Arbeit und zurück wie Arbeitszeit. Diese feinsinnigen Unterschiede sind begründet in der Entscheidung des EuGH:

Urteil Die vertragsgemäße Anwesenheit in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers, verbunden mit der Pflicht, bei Bedarf jederzeit berufliche Tätigkeit aufzunehmen, ist in vollem Umfang Arbeitszeit.
SIMAP-Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 (Rs. C-303/98)

Was aber wird aus der täglichen Höchstarbeitszeit von 10 Stunden? Das Arbeitszeitgesetz öffnet selbst die Lücke für tarifvertragliche und kirchentarifliche Durchbrüche. Und das wird im TVöD ausgenutzt:

 TVöD-K  § 7.1 und  TVöD-B  § 7.1

(8)  Der Arbeitgeber darf Rufbereitschaft nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Durch tatsächliche Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft kann die tägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden (§  3  ArbZG) überschritten werden (§  7  ArbZG).

Im Klartext: Wie lange die Einsätze im Rufdienst dauern, ist unerheblich.


 TV-Ä-KF : Die Ärzte/innen haben in § 6 (6) ihrer kirchlichen Fassung eine vergleichbare Klausel.

 AVR DD   (AVR DW EKD),  BAT-KF : Hier jedoch fehlt eine solche Öffnung. Die kirchlichen Tarifexperten haben das wohl ganz bewusst ausgelassen. Folge: Wenn die Arbeitszeit aus der täglichen Normalschicht und anschließenden Rufdienst-Einsätzen in der Summe 10 Stunden überschreitet, wird es bei Kirchens illegal!

Urteil Wegezeit Dienstreise: Keine Arbeitszeit

Leitsatz: Die Wegezeiten (Dauer der Hin- und Rückfahrt) einer Dienstreise gelten nicht als Arbeitszeit im Sinne von § 2 Abs 1 ArbZG, wenn der Arbeitgeber lediglich die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels vorgibt und dem Arbeitnehmer überlassen bleibt, wie er die Zeit nutzt.
[Aus den Entscheidungsgründen:]
(3) Entgegen der Auffassung des Klägers ist für die arbeitszeitrechtliche Beurteilung unerheblich, ob ein Arbeitnehmer „aus seinem familiären und sozialen Umfeld herausgerissen” wird. Bei den Höchstgrenzen zulässiger Beschäftigung geht es ausschließlich um die in § 1 Nr. 1 ArbZG festgelegten Schutzziele. Das sind Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung. Weitergehende soziale Gesichtspunkte wie Freizeit und Möglichkeit zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gehören nicht dazu. Aspekte der Freizeitgestaltung gewinnen nach § 1 Nr. 2 ArbZG lediglich bei der Beschäftigung des Arbeitnehmers an Sonntagen oder an anerkannten Feiertagen an Bedeutung. Soweit im Schrifttum angenommen wird, reine Fahrzeiten hätten auch ohne zusätzliche Arbeitsleistung belastenden Charakter (Buschmann FS Hanau S. 197, 209), ist das für ihre Beurteilung als Arbeitszeit ohne Bedeutung. So erscheint auch die Differenzierung des Klägers zwischen den Fahrzeiten und den Wartezeiten vor Ort, die auch er nicht als Arbeitszeit gewürdigt wissen will, gekünstelt. Beide Zeitspannen unterscheiden sich im Wesentlichen nur durch die während der Fahrt eingeschränkte Bewegungsfreiheit und die geringere Gestaltungsmöglichkeit. In beiden Fällen kann der Arbeitnehmer am gewohnten familiären und sozialen Leben nicht teilhaben.
b) Entgegen der Revision führt eine europarechtskonforme Auslegung zu keinem anderen Ergebnis. Sind während der Fahrzeiten im öffentlichen Verkehrsmittel keine Arbeitsleistungen zu erbringen, bleiben diese Zeiten im Hinblick auf die Ziele der Richtlinie hinter der Rufbereitschaft zurück und sind deshalb auch iSd. Gemeinschaftsrecht Ruhezeit.
(BAG, Urteil 11.07.2006 - 9 AZR 519/05)


Urteil Wegezeit zur Rufdienst-Inanspruchnahme: Arbeitszeit

Die Arbeitsleistung des Arztes innerhalb der Rufbereitschaft beginnt nicht mit dem Einsatz im Krankenhaus, sondern tatsächlich mit dem Verlassen des Aufenthaltsorts nach § 10 Abs. 8 TV-Ärzte/VKA und dem Weg ins Krankenhaus und endet erst nach der Rückkehr am Aufenthaltsort. Hierbei handelt es sich um tatsächliche Vorgänge und nicht um Fiktionen.
(BAG, Urteil 20.08.2014 - 10 AZR 937/13)

Arbeitszeit

In einer Stellungnahme der Bezirksregierung Düsseldorf vom 16.06.2008 heißt es zudem unter anderem:

„Wegezeiten im Rahmen einer Inanspruchnahme der Arbeitskraft eines im Rufdienst befindlichen Mitarbeiters sind bei Selbstfahrern i.d.R. als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu werten. Der Mitarbeiter begibt sich auf Weisung seines Arbeitgebers außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit zur Arbeitsstätte, um dort eine Arbeitsleistung zu erbringen.”

Nun gehören Weisungen des Arbeitgebers ja zum normalen Arbeitsverhältnis. Rätselhaft bleibt auch, was hier „i.d.R.” (in der Regel) bedeuten soll und woher beim Gesundheitsschutz plötzlich die Kategorie „regelmäßige Arbeitszeit” auftaucht.

In den meisten Betrieben bereitet es bereits erhebliche Probleme, die Arbeitszeiten samt der Inanspruchnahmen in Rufdiensten wie in § 16 ArbZG vorgeschrieben zu dokumentieren. Denn bei der Entgeltabrechnung sind davon abweichend die individuell variierenden Wegezeiten zu berücksichtigen.


Mehr zur Rufbereitschaft findest Du bei linkTobias Michel